Seit September 2019 durften wir an einem Pilotprojekt der Servicestelle Inklusion im Kulturbereich gemeinsam mit dem Netzwerk für demokratische Kultur e.V. in Wurzen, dem Budde-Haus in Leipzig und dem Festspielhaus Hellerau in Dresden teilnehmen. Wir haben uns zum Ziel gesetzt, den Treibhaus e.V. inklusiver zu gestalten und uns die komplexe Aufgabe gestellt, bestehende Strukturen zu verändern und anzupassen. Bei diesem Prozess wurden wir ein Jahr lang von der Servicestelle unterstützt und bei der Planung und Umsetzung einer inklusiveren Ausrichtung unseres Vereins begleitet.
Zu Beginn des Prozesses haben wir uns gefragt, wo wir ansetzen können, um Zugänge, Teilhabe und Chancengerechtigkeit zu verwirklichen, was mögliche erste Schritte für uns sind und wo es langfristig hingehen soll. Der Überblick zu den Entwicklungsbedarfen und -potentialen des Treibhaus e.V. bildete die Grundlage für die Planung von Strategien und Maßnahmen zur Verbesserung der Inklusionsorientierung, an denen wir die letzten Monate arbeiteten und mit denen wir uns auch weiterhin auseinandersetzen werden.
Im Rahmen einer Abschlussveranstaltung mit allen Beteiligten wurde die Prozessbegleitung letzte Woche nun offiziell beendet. Gemeinsam mit den anderen Einrichtungen blicken wir auf ein Jahr zahlreicher Erkenntnisse und erster Erfolge, aber auch großen Herausforderungen zurück.
ERREICHTES & PERSPEKTIVE
Neben dem zeitintensiven Umbau des Cafés im letzten Jahr wurde unser Prozess zusätzlich stark durch die Corona-Pandemie beeinträchtigt. Zwar konnten wir daher nicht alles wie geplant realisieren, haben uns aber dennoch im Rahmen des Möglichen mit verschiedenen Aspekten beschäftigt.
Kommunikation
Zu Beginn haben wir uns mit der Struktur der Website und unseren Social Media Kanälen befasst und Seiten und Beiträge zur verbesserten Übersichtlichkeit überarbeitet. Mithilfe von Software, die uns von der Bundesfachstelle Barrierefreiheit empfohlen wurde, konnten wir unsere Website teilweise auf Barrierefreiheit überprüfen. Die Schnelltests zeigten an, ob die Kriterien der WCAG (Web Content Accessibility Guidelines) eingehalten werden. Die Ergebnisse gaben uns allerdings nur einen ersten Überblick. Der nächste Schritt wird die Durchführung eines sogenannten BITV-Tests sein, einem Verfahren für eine umfassende und zuverlässige Prüfung der Barrierefreiheit von Websites. Wir haben außerdem an zwei Weiterbildungen zum Thema barrierefreie Öffentlichkeitsarbeit und Social Media teilgenommen, aus denen wir einige Erkenntnisse ziehen konnten. Auf unserer Homepage wurde jedes Seitenbild mit Alternativtexten, auch „Alt-Texte“ genannt, versehen. Diese beschreiben ein digitales Bild, sodass ein Bildschirmleseprogramm oder andere Hilfstechnologien das Bild für sehbeeinträchtigte Menschen und Menschen mit kognitiven oder körperlichen Einschränkungen interpretieren können. Zudem wurde die Kategorie „Anreise“ auf der Website hinzugefügt. Auf dieser Seite lassen sich Informationen und Grafiken zur Anreise mit Bus und Bahn, der Anfahrt mit dem PKW aus Chemnitz, Dresden und Leipzig sowie zur Parkplatzsituation vor Ort finden. An dieser Stelle werden demnächst noch Details zur Barrierefreiheit hinzugefügt. Auf YouTube haben wir Untertitel für alle Projektvideos erstellt, die auf der Homepage auf den jeweiligen Projektseiten eingebettet sind. Für die Begrüßung von Gästen, die das erste Mal eine Veranstaltung im Café Courage besuchen, wurde ein Handout für den Einlassdienst erstellt. Auf diesem sind Informationen über den Verein und Hinweise zur Orientierung im Raum zusammengefasst. Weiterhin haben wir uns damit beschäftigt, wie unsere Websitetexte hörbar gemacht werden können. Von einem Sprecher werden künftig die wichtigsten Texte über den Verein eingelesen. Ein Plugin, welches es ermöglicht, Texte mit einer Computerstimme vorlesen zu lassen, wird für Beiträge und Seiten, deren Inhalte stark variieren und regelmäßig wechseln, eingesetzt. Wir haben uns ebenfalls mit einfacher Sprache beschäftigt und wollen eine Weiterbildung dazu besuchen. Eine Beratung, wie man unsere Texte in einfache Sprache übersetzen kann, ist zusätzlich angedacht. Zudem arbeiten wir derzeit an der neuen Kategorie „Barrierefreiheit vor Ort“ für die Website. Auf dieser Seite werden Bilder, Lagepläne und Informationen rund um die Zugänglichkeit unserer Räumlichkeiten und unseres Programms, insbesondere für Besucher*innen mit Sehbeeinträchtigungen, mobilitätsbeeinträchtigte Besucher*innen und Besucher*innen mit Hörbeeinträchtigungen veröffentlicht.
Gebäude
Dieser Punkt hat uns wahrscheinlich die meisten Nerven gekostet, viele Diskussionen angeregt und unsere Frustrationstoleranz auf die Probe gestellt. Noch vor dem Umbau des Cafés haben wir uns von dem Architekten Kay Kaden des Sozialverbands VdK Sachsen e.V. beraten lassen. Er hat uns sowohl Hinweise zu baulichen Veränderungen im Innenraum des Cafés gegeben als auch zum Zugang zum Gebäude generell. Um das Café Courage barrierefrei zu gestalten, bräuchte es einen Lift sowie ein barrierefreies WC. Das wäre baulich zwar möglich, benötigt aber Platz zu Lasten anderer Lager- und Nutzungsflächen. Der Zugang zum gesamten Gebäude ist nur durch den Anbau eines Fahrstuhles denkbar. Auch unsere Eingangstreppe ist viel zu steil für z.B. eine Rampe, wie man sie von anderen Gebäuden kennt. Hier kommt nur eine Treppenraupe als Behelfslösung in Frage, welche aber zum Beispiel elektrische Rollstühle nicht transportieren kann. So ist auch mit dieser Variante das Café nicht barrierefrei, aber definitiv barriereärmer und für einige Rollstuhlfahrer*innen zumindest mit Unterstützung zugänglich. Maßnahmen, die wir im Rahmen des Umbaus im Café aber bereits verwirklichen konnten, sind die Entfernung des Podests, der Abbau von Schwellen, die Vergrößerung des Durchgangs zu den WCs sowie die Schaffung einer besseren Lichtsituation. Außerdem wurde eine Klingel am Hauseingang angebracht. In Zukunft wollen wir das ehemalige Männer-WC zu einem barrierefreien WC umbauen. Weiterhin haben wir unsere Hauswegweiser überprüft und in Teilen bereits angepasst. Für ein umfassendes, integratives Leitsystem wurden erste Überlegungen gemacht, die die Orientierung im Gebäude verbessern sollen. Dazu werden wir weitere Expert*innen zu Rat ziehen.
Programm
Um einen Überblick über unsere vielfältigen Programmformate zu bekommen, legten wir eine Übersicht an, in der wir einzelne Angebote und Veranstaltungen nach verschiedenen Kriterien einordneten. Wir überlegten, welche räumlichen Anforderungen unsere unterschiedlichen Formate brauchen, ob sie als mobiles Angebot realisierbar sind und ob sie in leichter Sprache oder mit Übersetzung stattfinden können. Darauf aufbauend haben wir unsere mobilen Angebote ausgebaut und auf der Website eine Liste veröffentlicht, die stetig erweitert wird. Unser Wunsch ist es, regelmäßig barrierefreie Veranstaltungen zu planen, sobald dies wieder möglich ist. Das hat auch den Grund, dass die räumlichen Gegebenheiten bei uns vor Ort für ein inklusives Kulturprogramm nicht optimal sind. Deswegen haben wir uns dazu entschieden, hier auf mobile und dezentrale Angebote zu setzen.
Um all unsere zukünftigen Vorhaben anzugehen, werden wir uns mit lokalen Gruppen und Einrichtungen vernetzen, Erfahrungsexpert*innen in unseren Prozess einbeziehen und weiterhin die Unterstützung der Servicestelle in Anspruch nehmen.