Am Donnerstag, 7. November, werden in Döbeln die Aktionswochen gegen Antisemitismus eröffnet. Seit 2013 finden diese Aktionswochen bundesweit statt und werden alljährlich von der Amadeu Antonio Stiftung ausgerufen. Insbesondere in Zeiten, in denen Anschläge und Angriffe auf Jüdinnen und Juden in Deutschland alltäglich präsent sind, ist es umso notwendiger, Antisemitismus, seine Auswirkungen und Dimensionen zu besprechen.
Donnerstag, 7. November, 18.30 Uhr Einlass, 19.00 Uhr Beginn, Café Courage
Ausstellungseröffnung und Vortrag: BRUCH|STÜCKE – Die Novemberpogrome in Sachsen 1938
Im November 2019 jähren sich die nationalsozialistischen Novemberpogrome zum einundachtzigsten Mal. Sie stellten eine weitere Radikalisierung in der Ausgrenzung und Verfolgung von Jüdinnen und Juden dar. Mehr als 60 Orte sind für das Gebiet des heutigen Sachsen bislang bekannt, an denen es zu antijüdischen Kundgebungen, Verhaftungen, Gewalttaten bis hin zum Mord, öffentlichen Demütigungen, Wohnungs- und Geschäftszerstörungen sowie Zerstörung von Synagogen und Gebetsstuben kam. Immer weniger Zeitzeug*innen können davon persönlich berichten. Oft sind es nur bruchstückhafte Erinnerungen, die sich ihnen ins Gedächtnis eingeprägt haben.
Die Ausstellung „BRUCH|STÜCKE – Die Novemberpogrome in Sachsen 1938“ versucht, diese Erinnerungsstücke zusammenzuführen. Sie schließt bekannte und neue Dokumente, Fotografien, Geschichten, lokale Forschungsergebnisse und Objekte, wobei die Akteur*innen – Betroffene, Beteiligte und Zuschauer*innen – und deren Handlungsspielräume im Mittelpunkt stehen.
Im Rahmen der Ausstellungseröffnung am 7. November wird der Leiter des Projektes „BRUCH|STÜCKE – Die Novemberpogrome in Sachsen 1938“, Daniel Ristau, einen Vortrag halten. Dieser führt in die Spurensuche ein und präsentiert die bisherigen Ergebnisse. Auch werden die erinnerungs- und gesellschaftspolitischen Bedeutung der Pogrome für Gegenwart und Zukunft eine Rolle spielen. Die Ausstellung wird bis einschließlich 21. November 2019 im Café Courage zu den regulären Öffnungszeiten des Treibhaus e.V. zu sehen sein. (Montag bis Freitag zwischen 10.00 bis 17.00 Uhr)
Daniel Ristau studierte Neuere/Neueste Geschichte und Politikwissenschaft an der TU Dresden. Er arbeitet als freiberuflicher Historiker und promoviert zur Geschichte der jüdischen Familie Bondi im 19. Jahrhundert.
Samstag, 9. November, 18.00 Uhr
Mahnwachen an den Stolpersteinen im Altkreis Döbeln
In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 brannten im gesamten Deutschen Reich unzählige Synagogen, jüdische Geschäfte und Friedhöfe wurden zerstört, Versammlungsräume, Wohnungen und Gebetsräume geplündert. Die Pogromnacht war ein weiterer Höhepunkt beispielloser Verfolgung und Vernichtung von Jüdinnen und Juden. Nach dem Ende der NS-Diktatur war auch in der Region Döbeln das jüdische Leben gänzlich vernichtet oder vertrieben worden. Heute gibt es nur noch wenige Spuren, die Aufschluss über die ehemaligen jüdischen Bürgerinnen und Bürger in den Städten geben.
Am 9. November laden wir alle Interessierten zur Mahnwache an den Stolpersteinen ein. Im Rahmen der Gedenkveranstaltung werden die Stolpersteine gereinigt, Kerzen aufgestellt und Blumen niedergelegt, um an das ehemalige jüdische Leben zu erinnern.
D Ö B E L N
18.00 Uhr: Ankommen in der St. Nicolaikirche (Kleine Kirchgasse 1, 04720 Döbeln). Es besteht die Möglichkeit, einen kleinen Teil der Ausstellung „BRUCH|STÜCKE – Die Novemberpogrome in Sachsen 1938“ zu besichtigen und Tee zu trinken.
18.30 Uhr: Andacht und Gedenkveranstaltung in der Kirche
19.00 Uhr: Mahnwachen an den Stolpersteinen
Im Rahmen der Gedenkveranstaltung werden die Stolpersteine gereinigt, Kerzen aufgestellt und Blumen niedergelegt, um an das ehemalige jüdische Leben zu erinnern.
Organisiert von: Treibhaus e.V. / evangelisch-lutherische Kirchgemeinde Döbeln / Bürger*innen der Stadt Döbeln
R O S S W E I N
18:00 Uhr: Treffpunkt: Nossener Straße 11, an den Stolpersteinen der Familie Strauss
18:45 Uhr: Friedensandacht und Gedenkveranstaltung mit Klezmerkonzert in der Kirche (An der Kirche, 04741 Roßwein)
L E I S N I G
18.00 Uhr: Treffpunkt: Marktplatz
H A R T H A
18:00 Uhr: Treffpunkt: Pestalozzistr. 8, an den Stolpersteinen der Familie Urbach
W A L D H E I M
18:00 Uhr: Treffpunkt: Rathaus
Samstag, 16. November, 13.00 Uhr, Treffpunkt Café Courage
Historischer Stadtrundgang: Auf den Spuren des jüdischen Lebens
Bis heute ist wenig über das Leben und den Alltag der Döbelner Jüdinnen und Juden bekannt. Ein Großteil der jüdischen Familien siedelte sich zwischen Mitte des 19. Jahrhunderts und Anfang des 20. Jahrhunderts in der Region an. Viele waren assimiliert und in die Stadtgesellschaft integriert. Gerade die kaufmännischen Tätigkeiten prägten die Region. So gab es in Döbeln jüdische Geschäfte, die das Leben in der Stadt prosperieren ließen. Diese waren in städtische Festlichkeiten eingebunden, schalteten Werbeanzeigen in Lokalzeitungen und waren im Stadtbild präsent.
Nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten 1933 kam es auch in Döbeln zu Verfolgung, Ausgrenzung, Demütigung und Entrechtung der hier ansässigen Jüdinnen und Juden. So wurden sie bspw. namentlich in der Lokalzeitung diffamiert und es wurde zum Boykott ihrer Geschäfte aufgerufen. Viele versuchten in die Anonymität der Großstädte zu fliehen. Aus der Stadt wurde das jüdische Leben zur Gänze vertrieben. Die meisten Jüdinnen und Juden wurden in einem Konzentrations- oder Vernichtungslager ermordet. Einigen wenigen gelang die Flucht und sie überlebten die Shoah.
Am 16. November 2019 möchten sich die Mitglieder der AG Geschichte gemeinsam mit Interessierten auf Spurensuche begeben. An den historischen Orten wird über das jüdische Leben und das Schicksal der Menschen berichtet, um an sie zu erinnern und ihre Geschichten weiterzutragen.
Donnerstag, 21. November, 18.30 Uhr Einlass, 19.00 Uhr Beginn, Café Courage
Vortrag und Diskussion: Antisemitismus und Verschwörungsmythos im Rap der neuen und extremen Rechten
Nicht erst seit der Echo-Nominierung und Auszeichnungen des Albums „Jung, brutal, gutaussehend 3“ der Rapper Farid Bang und Kollegah gibt es eine öffentliche Debatte über Antisemitismus im Rap. Immer wieder werden antisemitische Bilder und Stereotype in Rap-Texten verschlüsselt, transportiert und finden so Zugang zu einem breiten Publikum und insbesondere zu jungen Menschen. Grund genug, sich mit diesem Thema zu befassen.
Im Rahmen eines Vortrages wird Timo Büchner anhand der Liedtexte neurechter und neonazistischer Rapper wie Komplott, Chris Ares oder MaKss Damage antisemitische Bilder und sprachliche Codes erklären. Dafür werden ausgewählte Hörbeispiele verwendet. Einen Schwerpunkt des Vortrages werden dabei antisemitische Verschwörungsideologien einnehmen, da diese eine wesentliche Rolle in deren Liedtexten spielen. Zudem werden Parallelen zu prominenten Rap-Vertretern wie Kollegah aufgezeigt. Deutlich wird dabei, dass Antisemitismus keineswegs auf die Neue und extreme Rechte beschränkt ist. Umrahmt wird der Vortrag mit der Frage, inwiefern Antisemitismus und das völkische „Heimat“-Verständnis im Rap zusammenhängen.
Timo Büchner studierte Politische Wissenschaften, Soziologie und European Studies an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg und Hong Kong Baptist University sowie Jüdische Studien an der Hochschule für Jüdische Studien Heidelberg. In der Initiative „Netzwerk gegen Rechts Main-Tauber“ engagiert er sich seit 2014 gegen die Extreme Rechte.
Freitag, 29. November, 18.30 Uhr Einlass, 19.00 Uhr Beginn, Café Courage
Vortrag und Diskussion: Aktuelle Bedeutung und Verbreitung der „Protokolle der Weisen von Zion“ und der ungebrochene Antisemitismus
Die “Protokolle der Weisen von Zion” wurden um 1900 aus verschiedenen Texten konstruiert und entwickelten sich seitdem zu einer der weltweit bekanntesten Verschwörungsschriften. Sie dienten unter anderem als Baustein der nationalsozialistischen Ideologie, werden von der palästinensischen Terrororganisation Hamas genutzt, um die Vernichtung Israels zu legitimieren und werden immer wieder als angeblicher Beweis für verschiedene Verschwörungstheorien angeführt. Dadurch gelten die “Protokolle” auch als “Bibel der Antisemiten”. Im Rahmen eines Vortrages wird Benjamin Damm eine Einführung in Entstehung, Bekanntwerden, Inhalt und aktuellen Forschungsstand der “Protokolle der Weisen von Zion” geben. Dabei wird auch die weltweite Verbreitung seit der letzten Jahrhundertwende und die Rezeption in verschiedenen kulturellen, religiösen und politischen Gruppierungen aufgezeigt.
Am Beispiel jener Verschwörungsschrift lassen sich die Elemente und Funktionen des modernen Antisemitismus gut aufzeigen – auch dem soll, zumindest grob angerissen, nachgegangen werden. Am Ende des Vortrags sind alle Teilnehmenden zu Austausch und Diskussion eingeladen.
Benjamin Damm studiert Geschichte an der Universität Leipzig mit Schwerpunkt auf Antisemitismusforschung und jüdischer Geschichte. Weitere Themenfelder sind Verschwörungsmythen, der Nahostkonflikt, Rechtsradikalismus und Kritische Theorie. Er gehört zum Sprecher*innenteam der AG debate, ist freier Mitarbeiter im Präventionsprojekt “Abbau von Antisemitismus” des Ariowitsch-Hauses e.V. sowie seit einiger Zeit als freier Bildungsreferent tätig. Außerdem ist er ein Teil der “Initiative Mündigkeit durch Bildung”.
Die Veranstaltenden behalten sich vor, von ihrem Hausrecht Gebrauch zu machen und Personen, die neonazistischen Parteien oder Organisationen angehören, der neonazistischen Szene zuzuordnen sind oder bereits in der Vergangenheit durch rassistische, nationalistische, antisemitische oder sonstige menschenverachtende Äußerungen in Erscheinung getreten sind, den Zutritt zur Veranstaltung zu verwehren oder von dieser auszuschließen.