In Deutschland und Sachsen diskutieren wir in den vergangenen Wochen, Monaten und Jahren nicht nur über rassistische Gewalt, über das Erstarken rechter Parteien und deren politische Macht, sondern auch über eine neue Dimension antisemitischer Tendenzen in unserer Gesellschaft. Zuletzt wurde etwa, was Sachsen betrifft, in Chemnitz Ende August ein jüdisches Restaurant angegriffen.
Die bundesweiten Aktionswochen gegen Antisemitismus haben in diesem Jahr vier Schwerpunktthemen gesetzt, denen sich auch die Veranstalter_innen des Treibhaus e.V. annehmen möchten: Der 80. Jahrestag der Novemberpogrome, sekundärer Antisemitismus und Erinnerungsabwehr, israelbezogenener Antisemitismus und Israelboykott sowie Verschwörungsmythen.
Im Folgenden stellen wir die Veranstaltungen kurz vor:
Donnerstag, 1. November, Einlass 18.30 Uhr, Beginn 19.00 Uhr, Café Courage:
Islamischer Antisemitismus: Vortrag und Diskussion mit Matthias Küntzel
Antisemitismus und die Leugnung des Holocaust sind in den islamischen Gesellschaften des Mittleren und Nahen Ostens erheblich weiterverbreitet als in anderen Teilen der Welt. Warum ist das so? Oft wird diese Frage mit einem Hinweis auf Israel, dessen Politik den Hass auf Jüdinnen und Juden angeblich schüre, beantwortet. Doch diese Antwort greift zu kurz. Dr. Matthias Küntzel ist Politikwissenschaftler und Historikeraus Hamburg und hat die historische Verbindung von Islamismus und Antisemitismus in seinem Buch „Djihad und Judenhass. Über den neuen antijüdischen Krieg” thematisiert.
Samstag, 3. November, 13.00 Uhr, Treffpunkt: Café Courage:
Historischer Stadtrundgang: Auf den Spuren des jüdischen Lebens
Bis heute ist wenig über das Leben und den Alltag der Döbelner
Jüdinnen und Juden bekannt. Am 3. November 2018 möchte sich die AG Geschichte gemeinsam mit Interessierten auf Spurensuche begeben. Anden historischen Orten wird über das jüdische Leben und dasSchicksal der Menschen berichtet, um an sie zu erinnern undihre Geschichten weiterzutragen.
Freitag, 9. November, 18.00 Uhr, Altkreis Döbeln:
Mahnwachen an den Stolpersteinen
In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 brannten im gesamten Deutschen Reich unzählige Synagogen,jüdische Geschäfte und Friedhöfe wurden zerstört, Versammlungsräume, Wohnungen und Gebetsräumegeplündert. Die Pogromnacht war ein weiterer Höhepunkt beispielloser Verfolgung und Vernichtung vonJüdinnen und Juden. Nach dem Ende der NS-Diktatur war auch in der Region Döbeln das jüdische Leben gänzlich vernichtetoder vertrieben worden.Anlässlich der Pogromnacht vor 80 Jahren finden am 9. November ab 18.00 Uhr Mahnwachen an den Stolpersteinen statt. Diese werden in der Region sowohl in Döbeln, als auch in Roßwein, Leisnig, Hartha und Waldheim abgehalten.
Samstag, 10. November, Einlass 18.00 Uhr, Beginn 18.30 Uhr, Burger Café am Ostbahnhof: Klezmerdinner mit Klezmer Muskelkater
Kulturell und kulinarischer Höhepunkt der Aktionswochen ist das Klezmerkonzert, diesmal veranstaltet im ehemaligen Ostbahnhof und mit Giuseppe Sciarratta (Klarinette) und Sven Bohling (Akkordeon) der Band „Klezmer Muskelkater“. Zur Musik wird ein 3-Gänge-Menü mit israelisch-jüdisch inspirierten Speisen und originalen Getränken serviert.
Giuseppe Sciarratta und Sven Bohling haben sich ein klassisches Repertoire aufgebaut, welches sie nach und nach durch eigene Arrangements verändert und sich zu eigen gemacht haben. Sie nehmen ihre Zuhörer_innen mit auf eine Reise durch Länder und Kulturen, will ihre Ohren die musikalischen Gewürze schmecken lassen, aber sie auch mit dem Druck osteuropäischer Rhythmen vom Hocker reißen.
Der Eintritt für das Konzert mit 3-Gänge-Menü beträgt 30,00 Euro pro Person (exklusive Getränke). Reservierungen sind telefonisch unter +49 (0) 3431 / 60 53 31 oder per E-Mail an kultur@treibhaus-doebeln.de möglich.
Mittwoch, 14. November, Einlass 18.30 Uhr, Beginn 19.00 Uhr, Café Courage:
Triumph des guten Willens – Ein Porträt zu Eike Geisel. Film und Diskussion
„Deutsche Normalität“ ist eine geläufige Bezeichnung dafür, dass etwas in Wahrheit nicht so ist, wie es scheint. Ein Meister darin, den Zynismus und die Doppeldeutigkeit zwischen Sprache und Alltag in Deutschland offenzulegen war der Publizist Eike Geisel. Obgleich ein Kind der 68er Bewegung, so war es dennoch bald die deutsche Linke, die er mit seinen Polemiken bedachte. Im Zentrum Geisels Kritik steht die deutsche Erinnerungspolitik und seine These über die „Wiedergutwerdung der Deutschen“. 2016 entstand die 95-minütige Dokumentation „Triumph des guten Willens“, die im Café Courage gezeigt und anschließend diskutiert werden soll.
Samstag, 17. November, Einlass 18.30 Uhr, Beginn 19.00 Uhr, Café Courage:
Das Transitghetto Izbica im System des Holocaust – Buchpräsentation mit Steffen Hänschen
In den Jahren 2017 und 2018 jährt sich die „Aktion Reinhardt“zum 75. Mal. Diesem nationalsozialistischen Mordprogramm fielen im Laufe von nur anderthalb Jahren fast zwei Millionen Menschen zum Opfer. Die übergroße Mehrheit der Jüdinnen und Juden, die Ende 1941 auf dem Gebiet des Deutschen Reichs lebte, wurde im Laufe des Jahrs 1942 „nach Osten“deportiert und ermordet. Der Distrikt Lublin im Generalgouvernement war eines der Hauptziele der Deportationen. Bis Juni 1942 wurden die Deportierten jedoch nicht sofort in den Mordlagern der „Aktion Reinhardt“ (Belzec, Sobibor und Treblinka) getötet, sondern auf sogenannte Transitghettos verteilt. Das größte Transitghetto befand sich in Izbica. An diesem Ort wurden fast 20.000 Juden und Jüdinnen aus verschiedenen europäischen Ländern verschleppt.
Steffen Hänschen, der Autor des Buches „Das Transitghetto Izbica im System des Holocaust“, präsentiert seine Ergebnisseder Forschung zu dieser bisher kaum bekannten Phase des deutschen Mordes an den Jüdinnen und Juden Europas.
Donnerstag, 29. November, Einlass 18.30 Uhr, Beginn 19.00 Uhr, Café Courage:
Pädagogik des Ressentiments – Das Israelbild in Schulbüchern. Vortrag und Diskussion mit Jörg Rensmann
Untersuchungen zum Israelbild in ausgewählten Schulbüchern haben erschreckende Ergebnisse zutage gefördert. Dabei geht es um Verkürzungen, Verzerrungen und offene Falschaussagen in Bezug auf Israel und den israelisch-arabischen Konflikt. Wir müssen davon ausgehen, dass, sofern dieses didaktische Material nicht nachhaltig verbessert bzw. verändert wird, es keinen Beitrag zum Urteilsvermögen junger Menschen leistet. Sofern Schulbücher in ihrer überwiegenden Mehrheit weiterhin kein faktenbasiertes Bild der funktionierenden israelischen Demokratie und des Nahostkonfliktes vermitteln, befeuern sie stattdessen Denkstrukturen, die zu antijüdischer Radikalisierung führen und israelbezogenen Antisemitismus fördern können. Im Rahmen eines Vortrages wird Jörg Rensmann ausgewählte Beispiele aus Schulbüchern vorstellen.
Jörg Rensmann, Politikwissenschaftler und freier Autor, ist Gründungs- und Vorstandsmitglied des Mideast Freedom Forum Berlin und der deutschen Sektion der Scholars for Peace in the Middle East. Er ist Programmdirektor des vom Bundesfamilienministerium geförderten MFFB Modellprojekts im Rahmen von „Demokratie stärken –Antisemitismus bekämpfen”und berät auch extern zu entsprechenden Fragestellungen.
Die Aktionswochen gegen Antisemitismus in Döbeln werden organisiert vom Projekt FAIR – Fit gegen Antisemitismus, Intoleranz und Rassismus des Treibhaus e.V., welches gefördert wird im Rahmen des Landesprogramms „Weltoffenes Sachsen für Demokratie und Toleranz“.