Courage Design Projekt

Entstehung und Idee

Nachdem wir viele Jahre darüber diskutierten, hin und her überlegten und das Geld sowieso immer fehlte, wurde in diesem Jahr endlich das Café Courage renoviert und umgestaltet. Dank einer Förderung des Kulturraumes Erzgebirge-Mittelsachsen und der Unterstützung der Stadt Döbeln konnte der Haus der Demokratie e.V., Besitzer des Gebäudes in der Bahnhofstraße 56 und damit des Café Courage, Elektrik, Trockenbau, Brandschutz und Sanitäranlagen erneuern. 

Zudem haben wir als Treibhaus e.V. gemeinsam mit Julia Kurz, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der HGB Leipzig sowie Kuratorin, Kunstvermittlerin und Autorin, Karoline Schneider, bildende Künstlerin, und Isabell Wiehmert, Kunstpädagogin, das Courage Design Projekt entwickelt. Dieses beschäftigte sich mit der künstlerischen Gestaltung des Raumes. Unterstützt wurden wir dabei durch die Kulturstiftung des Freistaates Sachsen, den Verein Land in Sicht und die Cellex Stiftung, das Projekt fand zudem in Zusammenarbeit mit Weiterdenken – Heinrich-Böll-Stiftung Sachsen statt.

Ziel war es, einen zeitgenössischen Frei- und Begegnungsraum zu erschaffen, der innovative, nachhaltige Konzepte sowie Upcycling-Ideen umsetzt. Dieser Prozess fand gemeinsam mit Nutzer*innen, Besucher*innen und Engagierten statt, die zur Umgestaltung eingeladen wurden und aktiv an den einzelnen Arbeitsschritten teilnehmen konnten.

Ablauf

In zahlreichen Online-Meetings begannen wir im Frühjahr in kleiner Runde ein Konzept für das Café Courage zu entwickeln. Unterstützt wurden wir dabei von der Innenarchitektin und Designerin Tania Kolbe. Parallel dazu luden wir in den darauffolgenden Monaten regelmäßig Künstler*innen ein, die im Rahmen von Workshops verschiedene künstlerische Möglichkeiten der Gestaltung und nachhaltiges Design vorstellten. Die Inputs umfassten Themen wie Upcycling sowie Nachhaltigkeit im Bereich von Materialien, Lichtinstallationen, Textildesign und Möbelbau im Allgemeinen. Ziel war es, anwendbare Ideen für das Café Courage zu entwickeln. 

Den Auftakt bildete ein Vortrag zu Raumwirkung und – wahrnehmung von Isabell Wiehmert. Im Rahmen einiger kunstpädagogischer Projekte arbeitete sie bereits im Café Courage und ist deshalb mit dem Ort vertraut. Sie beschäftigte sich mit der Frage, inwieweit sich die Beschaffenheit sowie die Atmosphäre eines Raumes auf die Kreativität der einzelnen Kunstschaffenden im Raum auswirken kann und welche Rolle Licht dabei spielt.

Im Anschluss stellte Karoline Schneider die kostenfreie Architektur-Design-Software Sweet Home 3D vor. Sie selbst nutzt sie, um eigene raumgreifende Multimediainstallationen zu planen. Mithilfe des Programms konnte ein 2D-Plan des Cafés mit einer 3D-Vorschau erstellt werden, einschließlich der Möglichkeit, Möbel zu platzieren. Die Teilnehmer*innen wurden so befähigt, selbst im virtuellen Raum zu planen und konnten sich gemeinsam über Raum- und Möbelaufteilung austauschen.

Parallel zu den Planungstreffen des Projektteams, veröffentlichten wir Anfang März einen Open Call für Studierende der Burg Giebichenstein in Halle und der Hochschule in Schneeberg. Dieser Aufruf forderte Studierende auf, ein innovatives und nachhaltiges Konzept für die Gestaltung des Raumes oder einzelner Möbelstücke einzureichen. Pia Hackner, gelernte Schreinerin und Studentin für Holzgestaltung, Möbel- und Produktdesign an der Hochschule in Schneeberg, konnte mit ihrem umfangreichen Konzept überzeugen und war fortan fester Bestandteil unseres Vorhabens. Gemeinsam entwickelten wir ihre Ideen weiter und setzen einige während der intensiven Bauwochen im August um.

Mitte Mai führte uns Aart van Bezooijen in einem Webinar in das Thema Material mit den Schwerpunkten Upcycling und Nachnutzung ein und stellte uns experimentelle, nachhaltige und nachwachsende Materialien sowie Rohstoffe vor. Er ist Industriedesigner und Professor für Material- und Technologievermittlung für Kunst & Design an der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle.  Ein Material, was wir testeten, war ein innovatives Dämmmaterial aus Myzellium. Diese Pilzkulturen werden vor allem zur Herstellung von Verpackungsmaterialien und Dämmstoffen verwendet. Das Myzellium wurde uns in Form von Spänen geliefert. Nachdem Mehl und Wasser hinzugegeben wurden, wuchsen die Pilze 7 Tage lang in einer Form. Um das Wachstum zu stoppen, mussten sie mehrere Stunden im Ofen gebacken werden und standen dann zur individuellen Verwendung zur Verfügung.

Ein besonderer Meilenstein des Courage Design Projekts war die Crowdfunding-Kampagne Anfang Mai, welche das große Interesse von Beteiligten, Nutzer*innen und Unterstützer*innen des Treibhaus e.V. zeigte und sogar das Fundingziel übertraf. Innerhalb eines Monats kamen insgesamt 6.567 Euro zusammen. Einige Dankeschöns lassen sich heute im Café wiederfinden.

Von Mai bis August ging es schließlich in die heiße Phase. Die Sommerpause des Treibhaus e.V. wurde gestreckt und für die Sanierungsarbeiten genutzt. Durch die Erneuerung der Elektrik, die von Jörg Riedrich und Tino Blochwitz übernommen wurde, konnten Brandschutzmaßnahmen verbessert werden. Gleichzeitig wurde ein verbessertes Licht- und Tonkonzept entwickelt und der Raum mit Unterstützung des Veranstaltungstechnikers Christoph Welnitz an die aktuellen technischen Bedürfnisse durch Hardware und entsprechendes Netzwerk angepasst. Trockenbaumaßnahmen, die von Sven Franze, Jörg Rost und Mirko Stein umgesetzt wurden, führen nun zu mehr Energieeffizienz und Wärmedämmung. Die ehemalige Frauentoilette wurde von Torsten Senftleben neu gefliest und die Sanitäranlagen erneuert.

Die genannten baulichen Maßnahmen dienten als Grundlage für unser Renovierungs- und Gestaltungsprojekt. Im August starteten die intensiven zweiwöchigen Bauwochen, nach denen wir am 5. September 2020 das neue Café Courage feierlich wiedereröffneten.

In der ganzen Zeit wurden wir außerdem tatkräftig von ehrenamtlich Aktiven, Nutzer*innen und Engagierten unterstützt. Ob Tapete abgekratzt wurde, Möbel abgeschliffen oder Schrauben sortiert wurden – wir möchten uns bei allen herzlich bedanken, die dieses Großprojekt gemeinsam mit uns realisiert haben.

Künstler*innen, Möbelstücke und Werke

Sitzecke

Die Konstruktion für die Sitzecke wurde nach unseren Vorstellungen von Pia Hackner entworfen und während den Bauwochen unter ihrer Anleitung gefertigt. Während ein Großteil der Sitzbänke fest verankert ist, steht der vordere Abschnitt auf Rollen und lässt sich im Handumdrehen von einer Sitzbank in einen Stehtisch für den Einlass umfunktionieren. Im hinteren Bereich befindet sich eine Klappe, um die Tennisballmatte und andere Dinge verstauen zu können.

Für die Tennisballmatten, die sowohl in der Sitzecke als auch auf den Fensterbänken als Sitzpolster dienen, inspirierte uns Lisa Plöckl. Die Innenarchitektin und Tennisspielerin entwickelte im Rahmen ihrer Bachelorarbeit Möbel aus Tennisbällen und erhielt dafür den RecyclingDesignpreis. Ihre Idee griffen wir auf und schufen im Rahmen eines Workshops mithilfe der Peyote-Perlenknüpftechnik Sitzmatten, die zum Verweilen im neuen Café Courage einladen. Das Ergebnis bietet einen sanften Massageeffekt, eine außergewöhnliche Optik und echten Upcyclingcharakter. Verwendet wurden ausschließlich ausrangierte Tennisbälle, die von verschiedenen Sportclubs der Region gesponsert wurden.

Die Garderobe wurde als Wandkoffer in die Sitzecke eingefügt, wobei die Haken von unserem ehemaligen Garderobenständer stammen und neu lackiert wurden. Die Wände zieren Bilder mit Werken aus dem creativ café. Das creativ.café ist ein künstlerisches Angebot des Treibhaus e.V., in dem Döbelnerinnen mit und ohne Fluchthintergrund gemeinsam kreative Techniken erlernen und verschiedene künstlerische Ausdrucksformen erproben.

Bar

Auch die Bar wurde von Pia Hackner geplant und konstruiert. Gemeinsam mit Michael Hahn und vielen ehrenamtlichen Helfer*innen wurde sie im Rahmen der Bauwochen im August gebaut. Michael Hahn war bis 2018 Meisterschüler für bildende Kunst an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig. Die Leisten, die die Verkleidung der Bar bilden, wurden aus den alten Balken zugeschnitten, die einst das alte Podest im Café bildeten. Die Barplatte wurde mit Beton Ciré beschichtet, einem Material. mit dem so gut wie alle Holzplatten aufgewertet werden können. Beton Ciré ist eine Masse, die fertig angerührt nur noch aufgespachtelt werden muss, anschließend geschliffen und zum Schluss noch versiegelt wird.

Einige unserer alten Barhocker wurden abgeschliffen und neu lackiert, mit anderen beschäftigte sich die Medienkünstlerin Marie-Eve Levasseur. Sie entfernte die Sitzflächen und Rückenlehnen und bespannte die Gestelle mit Feuerwehrschläuchen. Die ausrangierten Rollen mit Feuerwehrschläuchen wurden uns von einer Schlauchfabrik geschenkt.

Sowohl das Holz für die Bar als auch für die Sitzecke konnten wir in der Tischlerei Ekkehard Landgraf zuschneiden.

Säule

Die Säule, die vielen Diskussionen und Überlegungen bedurfte, greift die Farben des Cafés auf und wurde von Elizabeth Gerdeman gestaltet. Sie ist Malerin und beschäftigt sich in ihren Arbeiten viel mit Farbverläufen. Die Ecke der Säule wurde für einen Multimediaschrank genutzt, in dem sich nun unsere PlayStation und Wii befindet. An der anderen Seite steht nun ein neues, gebrauchtes Klavier.

Daneben steht der von Pia Hackner entworfene Pflanzenständer. Dieser wurde aus unserer ehemaligen Garderobe gefertigt und umfunktioniert. Die verwendete Teichfolie in den Kästen wurde uns von Gartenmeister Matthias Schmiel zur Verfügung gestellt.

Couch, Sessel, Stühle und Tische

Da besonders die Stühle mit den bequemen Lehnen, die Couch und die Sessel sehr beliebt waren, entschieden wir uns dazu, sie zu behalten und mit einem robusten Stoff neu zu beziehen. Die Schnittmuster wurden von der Textildesignerin Jördis Senf und Julia Kaltofen angefertigt. Beim Nähen wurden wir vom Nähcafé Döbeln unterstützt. Auch die Tische, die sich in der Vergangenheit als praktisch erwiesen haben, wurden aufgearbeitet.

Gemeinsam mit Martin Haufe wurden im Rahmen eines Workshops Patches für die Rückenlehnen der Stühle und ein Textilbanner angefertigt. Er ist Meisterschüler an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig und experimentiert seit langem mit textilen Text-Bannern. In seinem Input teile er sein Wissen über das Material, seine Verarbeitung und gab uns Hilfestellungen.

Bühne und Heizungsverkleidung

Die neue Heizungsverkleidung wurde von Rick Ahnert und Tim Binder entwickelt. Im Gegensatz zu der vorherigen Verkleidung können Einzelteile angekippt werden bzw. ganz entfernt werden, um den Raum schnellstmöglich effektiv zu beheizen. Auf der Oberfläche befindet sich Möbellinoleum, welches uns von der Firma Forbo gesponsert wurde. Das Material ist vor allem sehr robust, wasser- und schmutzabweisend und sorgt für einen angenehmen Sitzkomfort.

Die Bühne wurde aus Holz konstruiert und bekam eine neue Form, die sich besser ins Café einfügt. Zudem wurde ein neues Schienensystem inklusive Vorhang angebracht. 

Kickerraum und Durchgang

Im Kickerraum wurde ein neuer Fußboden verlegt. Die Wände wurden besser gedämmt, neu plakatiert und mit Leuchtkästen, -buchstaben und LED-Spots versehen. Im Durchgang befindet sich nun unser neuer Flyerständer mit dem Kulturbeutel, unserem Veranstaltungsheft, diversen Flyern, Broschüren von blickpunkt.rechts, Veröffentlichungen der AG Geschichte und vielem mehr.

Toilette

In der ehemaligen Damentoilette wurde der Boden neu gefliest und die alten Fliesen an den Wänden mit einem Tape Art Piece von Anja Fischer und Isabell Wiehmert aufgefrischt.

Boden und Decke

Die Decke wurde etwas herabgesetzt, da sie nun zum einen aus einer Brandschutz- zum anderen aus einer Trockenbaudecke besteht. Der wunderschöne, alte Boden wurde abgeschliffen und neu versiegelt. Auch die Sockelleisten wurden im gesamten Café erneuert.

Lampen

Im Rahmen eines Workshops mit Moritz Wussow und Alexandre Bailly entwickelten wir Lampenschirme aus Plastikmüll. Moritz ist Produktdesigner und hat gemeinsam mit Christian das Projekt „Recycle on the spot“ ins Leben gerufen. Mit ihrer Maschine „Recycling on the Spot V1“ kann Plastikmüll recycelt und zu neuen Kunststoffgegenständen verarbeitet werden. Gebaut wurde die Maschine größtenteils auf Basis der Open-Source-Pläne von „Precious Plastics“ und umfasst einen Extruder und einen Schredder, mit der Plastikmüll vor Ort recycelt werden konnte. Nachdem das Plastik nach Art und Farben sortiert und geschreddert wurde, konnten wir es einschmelzen und mithilfe unserer selbstgebauten Formen zu Lampenschirme verarbeiten.

Vorher-Nachher-Vergleich

Wer war beteiligt?

Aart van Bezooijen, Elizabeth Gerdeman, Pia Hackner, Michael Hahn, Martin Haufe, Tania Kolbe, Marie-Eve Levasseur, Susanne Stern, Moritz Wussow, Alexandre Bailly, Sven Franze, Jörg Rost, Mirko Stein, Jörg Riedrich, Tino Blochwitz, Torsten Senftleben, Tischlerei Ekkehard Landgraf, Gartenmeister Matthias Schmiel, Michael Conrad, Florian Thiele, das großartige Nähcafé, Tim Binder, Rick Ahnert, Conny, Antje, Ulai, Julia, Judith, Karo, Jördis, Bella, Klara, Sina, Laura, Sophie, Lori, Mille, Julius, Hanni, Bernd, Anja, Almut, Jan, Martin, Lisa, Markus, Heidi, Diana, Hartmut, Fischi, Vicky, Rick, Falk, Maik, Erik, Basti, Christoph, Mohamed und Kellei.