Auch in diesem Jahr finden die Aktionswochen gegen Antisemitismus wieder statt. Die bundesweit größte Kampagne gegen Antisemitismus und Judenhass existiert mittlerweile seit 2003 und wird von einer Vielzahl verschiedenster Akteur_innen und Initiativen mitgetragen und gestaltet – so auch vom Treibhaus e.V. Döbeln.
Jüdinnen und Juden sorgen sich zunehmend um ihre Sicherheit. Für sie gehören antisemitische Erfahrungen und Anfeindungen immer noch zum Alltag in Deutschland. Internet und soziale Medien zählen dabei zu den zentralen Verbreitungsinstrumenten von Hassbotschaften und antisemitischer Hetze. Doch, dass es dabei nicht bleibt, geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Grünen hervor. Die Zahl antisemitischer Delikte in Deutschland hat erneut zugenommen. Demnach wurden im ersten Halbjahr 2017 insgesamt 681 Delikte erfasst. Das sei eine Zunahme von 4 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Antisemitismus stellt für die körperliche Unversehrtheit von Jüdinnen und Juden ebenso wie für die demokratische Kultur eine große Bedrohung dar. Er zeigt sich bis heute in unterschiedlichen Formen, Facetten und Ideologien. Antisemitismus ist subtiler geworden und trotzdem ein entscheidendes Kriterium für Menschenfeindlichkeit. Dabei ist festzustellen, dass sich insbesondere antisemitische Einstellungen und Haltungen nach wie vor durch die gesamte Gesellschaft ziehen und stellenweise wichtige Anknüpfungs- und Verankerungspunkte zu neonazistischen Ideologien bieten.
Im Rahmen der Aktionswochen gegen Antisemitismus möchten wir einem Beitrag zur Aufklärung über antisemitische Erscheinungsformen leisten, sowie durch Geschichts- und Bildungsarbeit menschenverachtenden und antisemitischen Einstellungen und Verhaltensweisen vorbeugen und entschlossen entgegenwirken.
Hier ein Überblick über die Veranstaltungen:
Samstag, 04. November
13.00 Uhr / Treffpunkt: Café Courage
Auf den Spuren des jüdischen Lebens – Historischer Stadtrundgang der AG Geschichte
Bis heute ist wenig über das Leben und den Alltag der Döbelner Jüdinnen und Juden bekannt. Ein Großteil der jüdischen Familien siedelte sich zwischen Mitte des 19. Jahrhunderts und Anfang des 20. Jahrhunderts in der Region an. Viele waren assimiliert und in die Stadtgesellschaft integriert. Gerade die kaufmännischen Tätigkeiten prägten die Region. So gab es in Döbeln jüdische Geschäfte, die das Leben der Stadt beeinflussten. Diese waren in städtische Festlichkeiten eingebunden, schalteten Werbeanzeigen in Lokalzeitungen und waren im Stadtbild präsent.
Nach der Machtübernahme der Nationalsozialist_innen 1933 kam es auch in Döbeln zu Verfolgung, Ausgrenzung, Demütigung und Entrechtung der hier ansässigen Jüdinnen und Juden. Sie wurden namentlich in der Lokalzeitung genannt und es wurde zum Boykott ihrer Geschäfte aufgerufen. Viele versuchten in die Anonymität der Großstädte zu fliehen. Aus der Stadt wurde das jüdische Leben zur Gänze vertrieben. Die meisten Jüdinnen und Juden wurden in einem Konzentrations- oder Vernichtungslager ermordet. Einigen wenigen gelang die Flucht und sie überlebten die Shoah.
Am 4. November 2017 möchte sich die AG Geschichte gemeinsam mit Interessierten auf Spurensuche begeben. An den historischen Orten wird über das jüdische Leben und das Schicksal der Menschen berichtet, um an sie zu erinnern und ihre Geschichten weiterzutragen.
Montag, 06. November
Einlass 19.30 Uhr, Beginn 20.00 Uhr / Conne Island (Leipzig) / mit Dr. Michael Hagemeister
Vortrag „Die Protokolle der Weisen von Zion“ und der Mythos der jüdischen Weltverschwörung
Unter dem Titel „Protokolle der Weisen von Zion“ ist eine anonyme Schrift bekannt, die von Antisemiten in aller Welt benutzt wird, um „die Juden“ zu bezichtigen, auf konspirativ-subversive Weise nach der Weltherrschaft zu streben. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts erstmals in Russland veröffentlicht und seit den 1920er Jahre in alle Weltsprachen übersetzt, dürften die „Protokolle“ das am weitesten verbreitete Dokument des modernen Antisemitismus sein. In dem Vortrag werden zunächst die „Protokolle“ selbst vorgestellt. Es wird der Frage nachgegangen, was wir über ihre Herkunft wissen (und nicht wissen). Sodann wird ihre Wirkungsgeschichte bis in die Gegenwart nachgezeichnet, um schließlich zu erörtern, wie Verschwörungstheorien funktionieren und worauf ihre Attraktivität beruht. Nach dem Vortrag ist Gelegenheit für Fragen und Diskussion mit dem Referenten Dr. Michael Hagemeister (Historiker und Slawist der Uni Bochum) gegeben.
Donnerstag, 09. November
18.00 Uhr / Altkreis Döbeln
Mahnwachen an den Stolpersteinen im Altkreis Döbeln
Den Opfern ein würdevolles und angemessenes Gedenken! In der Nacht des 9. November 1938 brannten deutschlandweit unzählige Synagogen, jüdische Geschäfte wurden zerstört, zahlreiche jüdische Männer verhaftet, gefoltert und ermordet. Mit den Ereignissen rund um die Reichspogromnacht verschärften die Nationalsozialist_innen wiederholt ihre antisemitische Politik gegenüber der jüdischen Bevölkerung. Diese Politik gipfelte in einer millionenfachen Verfolgung und Entrechtung sowie der systematischen Ermordung der europäischen Jüdinnen und Juden. Anlässlich des Gedenken an die Reichspogromnacht finden bundesweit am 9. November ab 18.00 Uhr Mahnwachen an den Stolpersteinen statt, um an Jüdinnen und Juden, die während der Zeit des Nationalsozialismus ermordet wurden, zu erinnern. Auch wir beteiligen uns an dieser Aktion. Gemeinsam reinigen wir am 9. November die Stolpersteine und entzünden an jedem Stolperstein eine Kerze zur Erinnerung an die Opfer der Shoah. An den ehemaligen Wirkungsstätten ermordeter Jüdinnen und Juden werden Blumen niedergelegt und über ihre Biografien und Schicksale berichtet.
09. November 2016 – 18.00 Uhr – Mahnwache in Döbeln
Treffpunkt ist der Obermarkt 13 in Döbeln.
09. November 2016 – 18.00 Uhr – Mahnwache in Leisnig
Treffpunkt ist die Obermarktgasse 4 in Leisnig.
09. November 2016 – 17.00 Uhr – Mahnwache in Roßwein
Treffpunkt ist die Mühlstraße 18 in Roßwein.
09. November 2016 – 18.00 Uhr – Mahnwache in Hartha
Treffpunkt ist die Pestalozzisstr. 8 in Hartha.
09. November 2016 – 18.00 Uhr – Mahnwache in Waldheim
Treffpunkt ist der Augustinerplatz in Waldheim.
Mittwoch, 15. November
19.00 Uhr Einlass, 19.30 Uhr Beginn / Café Courage
Film und Diskussion: “Auserwählt und ausgegrenzt”
Wir wollen gemeinsam die Dokumentation: “Auserwählt und ausgegrenzt – der Hass auf Juden in Europa” anschauen, denn selten kommt es in Deutschland dazu, dass eine Doku bereits vor ihrer Veröffentlichung so sehr die Gemüter erhitzt, wie es dieser Doku von Joachim Schroeder (“die Ludolfs” / “Entweder Broder – die Deutschland Safari”) im Juni dieses Jahres gelang. Sodass sich die Frage stellt, ob es trotz oder gerade wegen des Themas des aktuellen Antisemitismus geschehen ist? Kommt vorbei, seht und bewertet selbst! Der Film läuft ca. 90 Minuten. Im Anschluss wollen wir noch gemeinsam darüber diskutieren, warum die begleitende Kontroverse dem Film einen propagandistischen Stil vorwirft.